Arnulf Rainer Übermalung

July 2, 2024, 5:21 pm

So äußert er auch am Ende des Interviews mit Antonia Hoerschelmann den Wunsch, auf Roth hinzuweisen. Nachzulesen ist dies im Katalog, der die Ausstellung begleitet und hier. So erweckt die Schau, in der zum Beispiel provokantere Arbeiten wie seine Aktübermalungen von Frauen gänzlich fehlen, den Eindruck, dass hier die Bestrebung vorherrscht, Arnulf Rainer in einen monumentalen Status zu erheben. Ein Erneuerer, der sich in die Kunstgeschichte mit seiner Position unwiderruflich eingeschrieben hat, das ja, aber jemand, der auch heute noch imstande ist zu provozieren – und das meist mit mehreren Jahrzehnte alten Bildern – das nein. Rainers immenser Ideenreichtum, der zugegebenermaßen schwer in einen einzigen Raum zu packen ist, war für die Kuratorin und den Kurator sicherlich eine Herausforderung für sich und so lebt die Schau auch durch viele verschiedenen Auslassungen. Um sich der Künstlerpersönlichkeit einen weiteren Schritt anzunähern, seien allen seine persönlichen Auftritte ans Herz gelegt, in welchen Rainer selbst zu Wort kommt.

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Rainers Werk ist bestimmt von der Suche nach neuen Wegen in der Malerei und die stetige Entwicklung neuer künstlerischer Strategien, umfangreiche Schriften begleitet von performativen Arbeiten sind außerdem bezeichnend für sein Werk. Arnulf Rainer schuf Übermalungen als eine eigene Kunstform und verlieh damit der europäischen Kunst neue Schwerpunkte. Nach anfänglicher Hinwendung zum Surrealismus näherte sich Rainer dem Tachismus und dem Informel an. Seit Beginn der 1950er Jahre übermalt er eigene und fremde Bilder sowie Fotos. Hierbei sind besonders Fotoübermalungen von Selbstporträts bekannt geworden, die als Face Farces bezeichnet werden. Auch Künstlerkollegen, u. a. Sam Francis, Georges Mathieu, Emilio Vedova, Victor Vasarely, stellten ihm ihre Arbeiten zum Übermalen zur Verfügung. Der "Hiroshima-Zyklus", eine Serie von Zeichnungen und Fotos der zerstörten Stadt, wurde ab 1982 in siebzehn europäischen Städten gezeigt.

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Er experimentiert mit verschiedenen Bildträgerformen, runde und kreuzförmige Bilder entstehen. 1959 Gründung des "Pintorarium" gemeinsam mit Ernst Fuchs und Friedensreich Hundertwasser (1928-2000), das bis 1968 existiert. 1961 Verurteilung wegen öffentlicher Übermalung eines fremden Bildes in Wolfsburg. Mitte der 1960er Jahre Experimente unter Drogen- und Alkoholrausch; Rainer zeigt Interesse für die sogenannte Outsider-Art (Art brut); entwickelt eine halluzinative Arbeitsweise. Bezieht Ateliers in Berlin (West), München und Köln. 1966 erhält Arnulf Rainer den Österreichischen Staatspreis für Grafik. 1967 zieht ins Atelier in der Mariahilfer Straße in Wien. 1968 Ausstellung (erste große Retrospektive) im Museum des 20. Jahrhunderts, heute Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (mumok). Sogenannte Grimassenfotos (mit und ohne Bemalung des Gesichts) entstehen; Beschäftigung mit den Verhaltensweisen von Geisteskranken. 1970 es entsteht eine Serie übermalter Fotografien. 1971 erste große Retrospektive in Deutschland: Kunstverein Hamburg.

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Am 8. Dezember feierte Arnulf Rainer seinen 90. Geburtstag. Dem österreichischen Maler widmet die Albertina zum zweiten Mal in fünf Jahren eine Ausstellung, seit zehn Jahren stehen die Türen des Arnulf Rainer Museums in Baden für Besucher offen. Der Ausnahmekünstler ist international bekannt. Werke von ihm wurden bereits in renommierten Museen und Galerien wie dem Guggenheim-Museum in New York oder dem Centre Pompidou in Paris ausgestellt. ALBERTINA Wien © Arnulf Rainer: Schlaf, 1973-74 Arnulf Rainers weltweite Bekanntheit verdankt er seinen "Übermalungen". Diese entstanden in den 50er und 60er Jahren und sind bis heute aktuell. Augenblicklich wird eines der bekanntesten Werke jener Schaffensphase in der Albertina ausgestellt. Es ist eine schwarz-weiße Fotografie, die auf Holz gedruckt wurde und den Akt von Arnulf Rainer zeigt. Die Fotografie ist mit gelber, roter und schwarzer Farbe bemalt. Anhand von wenigen, verschmiert aufgetragenen Pinselstrichen wird ein garnelenförmiger Kringel gebaut, der Rainers Scham zensiert und sein Gesicht auslässt.

Gezeigt werden sechs Bilder die auch dazu dienen, die Behauptung der Kuratoren nachvollziehbar zu machen, dass Rainer seine später häufig benutzte Kreuzform aus dieser Zeit weiterentwickelte. Das Kreuz, das in der Ausstellung mit vielen Beispielen vertreten ist, sollte zu einem von Rainers Markenzeichen werden. In vielen Statements wies der Künstler darauf hin, dass die Kreuzform nicht ausschließlich als sakrales Zeichen gedeutet werden kann, sondern vielfältige Interpretationen möglich sind. Und dennoch fällt es schwer, bei den meisten dieser Arbeiten den christlichen Kontext auszublenden. Zeitgeistige Strömungen atmen aus Rainers Werken Interessant an der Schau ist, dass sie deutlich aufzeigt, dass Rainer Zeit seines Lebens die jeweiligen aktuellen künstlerischen Strömungen in seinem eigenen Werk verarbeitete. Seine vom Gestus ausgehende Malerei und die gestisch geführten Zeichnungen finden ihre direkten Vorläufer im Tachismus. Rainers Selbstinszenierungen mit unterschiedlichen Attributen wie über den Kopf gezogenen Strumpfhosen oder Gummibändern lässt wiederum kräftig den Wiener Aktionismus aufblitzen.

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