« Wir näherten uns dem Ortsende. Eine Schar weißer Hühner floh gackernd vor dem Wagen. Hinter einem Gartenzaun stand ein alter Mann und nahm seine Mütze ab, als wir vorüberfuhren, doch meine Tante erwiderte seinen Gruß nicht. Dann bogen wir um eine Kurve. »Dort ist sie«, sagte Tante Laura. Auf dem Gipfel eines steilen, bewaldeten Felsens stand die Burg. 9783570209189: Stimmen aus dem Kamin / Das Schloss im Nebel. ( Ab 12 J.). - ZVAB: 3570209180. Im Abendlicht wirkte sie wie aus einem Bilderbuch geschnitten - mit all den Zinnen, Erkern und Türmchen. Der dicke Rundturm an der Westseite war von Efeu überzogen; sonst aber hatten die uralten, grauen Steinquader der Befestigungsmauern etwas Kaltes, fast Drohendes. Doch dieser Anblick war mir vertraut. Ich hatte die Burg so viele Male gesehen und mir jede Zinne und jedes Türmchen eingeprägt. Als Kind saß ich oft vor dem Ölgemälde, das über Mutters Nähtisch hing und die Burg auf dem Felsen zeigte; und ich hatte mir stets vorgestellt, wie es wäre, dort oben in einem der Turmzimmer zu sitzen und zu spielen. Nun war ich zu alt, um zu spielen.
Ich sah mich um. Die Kirchenglocken begannen zu läuten, doch man hörte nur verwehte Klänge. »Von diesem Teil des Dorfes aus sieht man die Burg nicht«, erklärte meine Tante, während sie sich ans Steuer setzte. »Sie ist hinter diesem Berg dort. « Ich saß steif in den schwarzen Lederpolstern, die nach Tabak und Sattelseife rochen, und betrachtete meine Tante von der Seite. Sie trug Trauer, sah jedoch in der schwarzen Kleidung keineswegs verhärmt aus. Ihr Gesicht war braun gebrannt, ihr blondes Haar im Nacken zu einem Knoten geschlungen. Sie erinnerte mich an die Titelbilder teurer französischer Modezeitschriften. Stimmen aus dem Kamin /Das Schloss im Nebel : Isbel, Ursula: Amazon.de: Books. Nein, so hatte ich sie mir nicht vorstellt. Das Schweigen verursachte mir Unbehagen, und ich merkte, wie sich meine Hände im Schoß verkrampften. Um die Stille zu durchbrechen, fragte ich: »Wohnst du jetzt allein da oben? « Sie warf mir einen flüchtigen Blick zu. »Allein? Nein, natürlich nicht - wir haben einen Gutsverwalter und eine Menge Personal. Das ist bei einem so großen Besitz nicht anders möglich.
Ich warf einen Blick auf die Armbanduhr und umklammerte meine Handtasche fester. Gleich sieben. In einer Viertelstunde war ich am Ziel. Weshalb hatte ich Angst? Noch vor wenigen Tagen, als die Vorsteherin des Internats mir sagte, dass ich nach Greifenstein fahren dürfte, war es mir wie eine Einladung ins Paradies erschienen. Doch der Bruder meiner Mutter lebte nicht mehr. Nur Tante Laura war noch auf der Burg, seine Witwe - und ich erinnerte mich noch zu genau, was Mutter einmal über sie gesagt hatte: »Sie ist kein guter Mensch. Man kann ihr nicht trauen... « Das Brausen des Sturmes schwoll zu einem wilden Johlen an. Stimmen aus dem kamin video. Ich stand auf und nahm meinen Koffer aus dem Gepäcknetz. Der Zug fuhr langsamer und in der Ferne machten die Tannen endlich einer kleinen Siedlung Platz. Es war nicht mehr als ein Dorf: eine Ansammlung von Häusern, die sich in der Talmulde um eine alte Kirche scharten. Doch jenseits der Siedlung behaupteten schon wieder die Wälder ihr Recht, schienen sich bis ins Unendliche fortzusetzen.
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Mutter hatte mir nie gesagt, dass Tante Laura eine schöne Frau war. Auch hatte ich sie mir älter vorgestellt. »Du wusstest es nicht? « »Nein. Ich dachte, du lädst mich nur über die Osterferien ein, weil dein... weil Onkel Richard gestorben ist. « Sie sagte: »Hast du meinen Brief nicht bekommen? « »Deinen Brief? Nein, ich weiß von keinem Brief. « Tante Laura zögerte einen Moment. »Das ist seltsam. Ursula Isbel - stimmen aus dem Kamin | eBay. Nun, dann muss ich dir wohl noch einiges erklären. Aber nicht hier in diesem scheußlichen Warteraum. Wir haben noch Zeit genug - sehr viel Zeit sogar. Komm mit. « Und sie ging zur Schwingtür voraus, stieß sie auf und wartete, bis ich meinen Koffer auf die oberste Treppenstufe gestellt hatte. Dann folgte ich ihr zu einem riesigen, schwarzen Wagen, der sehr alt und vornehm aussah und auf der schlichten Dorfstraße fast ein wenig lächerlich wirkte. Erst als ich mein Gepäck in den kastenartigen Kofferraum hob, merkte ich, dass es ein Rolls-Royce war. »Dein Onkel hatte eine Leidenschaft für alte Autos«, erklärte Tante Laura und öffnete den Wagenschlag.
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