Jean Léon Gérôme »Phryne Vor Den Richtern« 1861 | Hamburger Kunsthalle

July 5, 2024, 3:02 pm
Seinen Hut hat er abgelegt und hält ihn in den Händen. Bedächtig und meditierend blickt er auf den Toten hinab. Seni sieht nicht überrascht oder entsetzt aus. Der Geschichte zufolge hatte er Wallensteins Tod nämlich in den Sternen kommen sehen. Er hatte Wallenstein gewarnt aber ihn dadurch nicht retten können. Seni steht im Schatten und trägt dunkle Kleidung, während Wallensteins lebloser Körper angeleuchtet und von weißen Kleidern umhüllt ist. Auf dem Gewand ist ein kleiner Blutfleck zu erkennen, welcher auf den Mord hinweist. Sammlung Online | Hamburger Kunsthalle. Auf dem Tisch stehen verschiedene Gegenstände: ein geöffnetes Buch, ein Kerzenhalter mit erloschenen Kerzen und ein Globus. Das Tischtuch hat Wallenstein mitgerissen, als er gestürzt war. Der Teppich am Boden ist zerknittert, der Raum wirkt chaotisch. Durch den geworfenen Schatten entsteht eine Diagonale, die sich durch das Bild zieht. Auffallend ist die Genauigkeit der Falten in den Stoffen sowie das Spiel mit Licht und Schatten, welches eine Dramatik hervorruft.

Phryne Vor Den Richtern Online

Phryne war eine berühmte griechische Hetäre, die im 4. Jahrhundert v. Chr. lebte. Ihr richtiger Name war eigentlich Mnesarete, eingedenk der Tugend. Doch der Name passte weder zu dem Gewerbe, das sie ausübte, noch war es in diesem Milieu üblich, den Realnamen zu verwenden, denn Hetären waren gebildete Gefährtinnen, die im Altertum der Prostitution nachgingen. Eines Tages fand sich diese Frau, die wegen ihres gelblichen Teints zwar übersetzt Kröte genannt wurde, aber durch ihre Schönheit zu Reichtum gelangt ist, in einer Gerichtsverhandlung als Angeklagte vor dem Areopag, der höchsten Blut- und Sakralgerichtsbarkeit Athens, wieder. Sie wurde jedoch nicht der Prostitution angeklagt, denn diese war im antiken Griechenland nicht verboten. Jean-Léon Gérôme: "Phryne vor den Richtern" (1861) | chrismon. Und eine Hetäre war, im Gegensatz zu einer Porne, einer Dirne, aufgrund ihrer umfassenden Bildung sogar sozial angesehen. Phryne wurde vielmehr ihre Schönheit zum Verhängnis. Sie diente Praxiteles als Modell für die Statue Aphrodite von Knidos, einer der ersten Großplastiken, die den weiblichen Körper nackt zeigen.

Phryne Vor Den Richtern Art

Das Bild ist außerdem eine Anlehnung auf Friedrich Schillers Wallenstein Trilogie. 4. Hans Makart: Der Einzug Kaiser Karls V. in Antwerpen Hans Makart, ein Schüler von Piloty, war ebenfalls ein bekannter Salon- und Historienmaler. Zu erkennen ist der junge Kaiser in der Bildmitte, welcher in triumphierender Pose auf den Betrachter zureitet. Phryne vor den richtern movie. Zudem sind auf dem Bild viele junge Frauen, die dem Kaiser zusehen. Viele der jungen Frauen waren nur leicht bekleidet und zogen so die Aufmerksamkeit vieler männlicher Betrachter auf sich. Das Besondere an dem Werk ist die Tatsache, dass das historische Ereignis hier nur als Vorwand genommen wird. Es wird nicht darauf geachtet, ob das Bild das Geschehnis tatsächlich realgetreu darstellt. Eine viel größere Rolle hingegen spielt die Ästhetik, Erotik und insgesamt die zeitgenössischen Bedürfnisse. Makart setzte den strengen Vorgaben der Historienmalerei damit einen Schlussstrich.

Da war der reflexhafte Pornografie-­Vorwurf an den Maler natürlich nicht weit. Adele zeigt ihren Brüsten die Männer Aber schon damals galt: Auch schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten, Hauptsache man ist im Gespräch. Je mehr sich die Kritiker echauffierten, desto mehr ­Menschen interessierten sich für die vermeintlichen ­Pornos mit antikem Sujet. Es braucht allerdings nicht viel Wohlwollen, um zu erkennen, dass Jean-Léon Gérôme auch noch andere Intentionen hegte als die Befriedigung verheimlichter Bedürfnisse und die Erregung öffentlicher Ärgernisse. Klar, das Bild lässt sich als lüsterne Zur­schaustellung einer jungen Frau deuten. Aber trifft es das? Von der Anordnung ist die Aufmerksamkeit eigentlich auf die Männer des Areopags gerichtet. Sie werden in ein moralisch zweifelhaftes Licht gerückt – und zwar wortwörtlich, schließlich sitzen sie im Schatten. Die Männer glotzen gebannt, erschrocken, erstaunt. Jean Léon Gérôme »Phryne vor den Richtern« 1861 | Hamburger Kunsthalle. Und die Betrachter des Bildes glotzen auf die Glotzenden. Ertappt. Am besten kommt in diesem Arrangement die Phryne weg.

[email protected]