Bereits im Januar 1918 hatten die Kieler Arbeiter sich gegen die Sinnlosigkeit des Krieges gestellt. Zumindest für ein paar Tage gelang es ihnen, die Räder der Rüstungsmaschinerie anzuhalten, die das Sterben am Laufen hielten. Doch es sollten neun weitere Monate vergehen, bis die Matrosen vor Wilhelmshafen den menschenverachtenden Befehl verweigerten, in einem aussichtslosen Unterfangen auszulaufen und ihr Leben für die kruden Ehrvorstellungen der Marineführung zu opfern. Es waren diese Matrosen, die auf ihre Plakate die eingangs von mir zitierte Parole schrieben: "Den Mutigen gehört die Welt! ". Und nach der Verlegung der Flotte war es hier in Kiel, dass die Matrosen Mitstreiterinnen und Mitstreiter fanden. Die politisierte Kieler Arbeiterschaft solidarisierte sich. Gemeinsam übernahm man die Stadt, nahm die Verantwortung in die eigene Hand und entzündete einen Funken, der auf ganz Deutschland übergreifen sollte. Dieser Mut war alles andere als selbstverständlich. Dem mutigen gehört die welt geht unter. Er war keine logische Folge der Entwicklung und er nötigt mir bis heute großen Respekt ab.
So viele historische Ereignisse von Weltrang gab es in Schleswig-Holstein nicht. Es war nicht nur die Sorge um das eigene Leben, die die Menschen antrieb. Es war auch der Kampf für eine bessere und freiere Gesellschaft. Die Forderungen der Matrosen zeigen auch heute noch vieles von dem, was für eine Demokratie unerlässlich ist. Die Achtung und der Respekt für jeden Menschen, unabhängig von seiner Stellung und seiner Herkunft. Rede- und Pressefreiheit. Das allgemeine und gleiche Wahlrecht. Für Männer und Frauen, ohne Ansehen des Standes, ohne Klassen. Das war im wahrsten Sinne des Wortes revolutionär. Kiel war der Beginn der Novemberrevolution, das Ende der Hohenzollern und der unwidersprochenen Vorherrschaft des Militarismus. Pin auf Gedanken zum Leben und Lieben. Aber es ebnete eben auch den Weg nach Weimar, für die erste echte Demokratie auf deutschem Boden mit ihren sozialen und demokratischen Errungenschaften. Errungenschaften, die nach der nationalsozialistischen Diktatur auch Grundlage unserer Bundesrepublik sind. Deutschland ist seit bald 70 Jahren eine stabile Demokratie.
Barbados, Französisch-Guayana, Französisch-Polynesien, Guadeloupe, Libyen, Martinique, Neukaledonien, Russische Föderation, Réunion, Ukraine, Venezuela
Wir wünschen uns, dass für diese hervorragend aufgearbeitete Ausstellung ein Platz gefunden wird, um an den derzeitigen Erfolg anzuknüpfen und vielen weiteren jungen Menschen einen Besuch zu ermöglichen. Wir leben in einer Zeit, in der wir uns fragen müssen, wie mutig wir heute sind. Wir müssen die Demokratie nicht mehr erkämpfen. Das haben andere für uns getan. Aber wir haben die Verantwortung sie zu verteidigen. Und wir – das sage ich ausdrücklich als Sozialdemokrat – müssen uns immer wieder hinterfragen, wie nah wir den Idealen von damals gekommen sind. Dem mutagen gehört die welt . Es darf nicht nur darum gehen, die Errungenschaften zu verteidigen, sondern für das zu kämpfen, was noch fehlt. Ohne Zweifel: Eine bessere Gesellschaft haben wir geschaffen. Doch Ungerechtigkeiten bleiben, gegen die bereits 1918 gestritten wurde. Auch heute noch bestimmt die Herkunft viel zu sehr über die Chancen. Auch heute noch ist bei der Gleichberechtigung ein weiter Weg zu gehen – der Blick ins Plenum zeigt es. Und auch heute noch ist Frieden etwas, um das wir uns immer wieder neu bemühen müssen – der tägliche Blick in die Medien ist Beweis genug.