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Mit der "Kindlichen Unbehagens- und Schmerzskala" (KUSS) können Mediziner gut abschätzen, ob die Kinder stärkere Schmerzmittel benötigen. Bei älteren Kindern kommt häufig die "Faces Pain Scale – Revised" (FPS-R) zum Einsatz. Die Kinder tippen dabei auf eins von sechs Gesichtern, um ihre Schmerzen einzustufen. Damit Eltern die postoperativen Schmerzen ihrer Kinder besser einschätzen können, gibt es zudem die Skala "Parents' Postoperative Pain Measure (PPPM). Diese fragt nach Veränderungen zum sonst gewohnten Verhalten der Kinder sowie nonverbalen Hinweisen auf Schmerzen. Die Eltern beantworten 15 darauf abzielende ja-/nein-Fragen. Treffen mehr als sechs von 15 Punkte zu, benötigen die Kinder eventuell ein stärkeres Schmerzmittel. Ziel ist, dass Eltern nach Operationen die Schmerzen ihres Kindes besser einschätzen und entsprechend reagieren können. Der in Kanada entwickelte Fragebogen PPPM wird bisher in Deutschland kaum angewendet, berichtet Dr. Philipp Gude. Der geschäftsführende Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Katholischen Klinikum Bochum hat gemeinsam mit Kollegen untersucht, ob die Befragung der Eltern nach PPPM in Kombination mit den beiden gängigen Skalen die postoperative Schmerztherapie verbessern kann.
Die Datenanalyse zeigte, dass dieser Wunsch in erster Linie auf schmerzbedingte Schlafstörungen und Bewegungseinschränkungen zurückzuführen war. Vor allem nach Tonsillektomie waren Kinder mit nur einem Nicht-Opioid-Analgetikum mit der Schmerzbehandlung deutlich unzufriedener. Der Fragebogen wurde In 42% vom Patienten selbstständig ausgefüllt, in 46% hatte jemand dabei geholfen. In knapp 12% stammten die Angaben ausschließlich von den Eltern. Das Forschungsteam um Prof. Dr. med. Ulrike Stamer hat nun Vorschläge unterbreitet, wie eine postoperative Schmerztherapie optimiert und der Einsatz opioidhaltiger Schmerzmittel nach der Operation vermindert werden kann. Der Wunsch nach mehr Schmerzmitteln war umso geringer, je mehr Einzelsubstanzen verschiedener Klassen die Kinder bereits vor der Aufwachphase erhalten hatten. Über diesen "relativ einfach modifizierbaren Faktor" bietet sich daher laut Stamer eine Möglichkeit, die perioperative Situation für die Kinder zu verbessern. Opiode sollten bei Kindern insbesondere bei Tonsillektomien zurückhaltend eingesetzt werden, da sie das ohnehin erhöhte Schlafapnoe-Risiko weiter steigern und im Extremfall sogar zu einer Atemdepression führen könnten.
Bei Operationen am Arm kann der so genannte Plexus brachialis (Nervenstrang, der den Arm versorgt) ober- oder unterhalb des Schlüsselbeins betäubt (blockiert) werden. Dazu wird ein sehr dünner Katheter unter Ultraschallkontrolle bis zum Nerven vorgeschoben, so dass die Schmerzmittel, meist ein lokales Betäubungsmittel und ein Opioid, direkt um die Nerven herum gespritzt werden können. Die Wirkung der Medikamente ist so besonders gut und die Nebenwirkungsrate sehr niedrig. Auch für Eingriffe an Brustkorb, Bauchraum und Beinen kann dieses Verfahren eingesetzt werden. Dabei wird aber nicht der Nerv direkt betäubt, sondern eine Regionalanästhesie am Rückenmark gesetzt. Je nachdem auf welcher Höhe und in welchem anatomischen Raum der Katheter platziert wird, können gezielt bestimmte Bereiche des Körpers betäubt werden. Sehr häufig wird eine solche Regionalanästhesie schon vor der Operation angelegt, so dass während der Operation das entsprechende Gebiet bereits schmerzfrei ist. Nach der Operation wird das Schmerzmittel weiter kontinuierlich oder patientengesteuert über den Katheter und ein Pumpensystem injiziert.
Auch wenn Appendektomie und Tonsillektomie zur absoluten kinderchirurgischen Routine gehören, ist das postoperative Schmerzmanagement noch nicht optimal. Am Tag nach einer Blinddarm- oder Mandel-Operation klagen noch zu viele Kinder über Schmerzen. In einer Studie haben Anästhesiologen am Inselspital, Universitätsspital Bern, in Zusammenarbeit mit zwölf weiteren Zentren aus vier europäischen Ländern Untersuchungen zur Schmerzbehandlung während und nach einer Operation bei Kindern durchgeführt. Die vorliegende Studie basiert auf dem internationalen Schmerzregister "PAIN OUT infant", das 2015 eingerichtet wurde, um die Qualität des postoperativen Schmerzmanagements bei Kindern zu verbessern. Die Auswertung der Daten (insgesamt 898 Fälle – 472 Appendektomien und 426 Tonsillektomien) ergab bei fast jedem vierten Kind Optimierungsbedarf. Ein Viertel (24, 8%) aller Kinder wünschte sich in den ersten 24 Stunden nach einer Blinddarm-Operation eine bessere Schmerzbehandlung, nach einer Mandeloperation war dies ein Fünftel (20, 2%).
Auch notwendige pflegerische Maßnahmen wie regelmäßige Bewegung und Transfermaßnahmen, das Anlegen von Orthesen oder die tägliche Mund- und Zahnpflege können bei diesen Kindern Schmerzkrisen auslösen. Folgen einer ausbleibenden Schmerzbehandlung Die Folgen von unbehandelten Schmerzen im Kindesalter sind vielfältig. Sie verursachen nicht nur momentanes Leid, sondern bedrohen die gesamte kindliche Entwicklung. Heute wissen wir: Je mehr schmerzhafte Erfahrungen ein Früh- und Neugeborenes erlebt hat, desto langsamer und eingeschränkter entwickeln sich seine geistigen und motorischen Fähigkeiten. Gerade rezidivierende Schmerzen im Kindesalter gehen mit einer erhöhten Ängstlichkeit und Depressivität, physischen und psychosozialen Einschränkungen und vielen Schulfehltagen einher. Zusätzlich wirken sich Schmerzen negativ auf Appetit, Stimmung, Schlaf- und Spielverhalten aus; ebenso wird die kindliche Neugier dadurch gehemmt. Lesen Sie hier den gesamten Beitrag: Wenn Kinder Schmerzen haben Aus der Zeitschrift JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 01/2019
Ob Otitis media, Pharyngitis oder postoperative Schmerzen: Eine adäquate Schmerztherapie scheint – und das ist erschreckend – keine Selbstverständlichkeit zu sein. Zernikow betonte, dass Eltern in der Apotheke über die Notwendigkeit einer Analgesie informiert werden müssten. So hätten 40 Prozent der Kinder in der akuten Krankheitsphase der Otitis media starke, weitere 40 Prozent mittelstarke Schmerzen. Dieser Schmerz lasse sich auch durch eine Antibiotika-Therapie nur unbeutend lindern, sagte Zernikow: »Unabhängig von einer Antibiose sollen und müssen Ohrenschmerzen vom ersten Tag an analgetisch behandelt werden. « Paracetamol sorgfältig dosieren Auch erhalte nur ein Bruchteil der Kinder nach ambulanten operativen Eingriffen Analgetika, obwohl sie deutlich über Schmerzen klagten, berichtete er weiter. »Schmerzmittel müssen auch hier nach dem Prinzip der antizipatorischen Gabe und bei Bedarf zusätzlich verordnet werden«, verwies Zernikow auf die Regeln der professionellen Schmerztherapie.